Orchideen in Baden-Württemberg
Epipactis purpurata Sm.
Violette Stendelwurz
Synonyme: E. viridiflora, E. varians, E. violacea
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Merkmale
Aus einem Rhizom treiben ein oder häufig auch mehrere (bis über 10) Blütentriebe von mehr als 60 cm Höhe. Der vor allem unten violett überlaufene Stängel ist unten 4,0-6,5 mm, oben 2,5-4,5 mm dick und steif, am Grund fast unbehaart, im Bereich des Blütenstandes grau filzig behaart. 4-10 dunkelgrüne bis violettgrüne, schmal eiförmige Blätter sind am Stängel spiralig mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. Sie sind nur 1,2-3,2 cm breit und 3-7 cm lang. Das oberste Stängelblatt ist tragblattartig und reicht oder überragt den tief ansetzenden Blütenstand. Die Tragblätter überragen im unteren Teil des Blütenstandes die Blüten.
Der einseitswendige, auch breit ausladende Blütenstand trägt meistens zahlreiche große und weit geöffnete Blüten. Die weiß porzellanfarbene Lippe ist zweigeteilt. Die napfförmige und nektarführende Hinterlippe misst 4,5-6,5 mm in Länge und Breite; innen ist sie hell rotbraun. Die herzförmige Vorderlippe ist etwas länger als breit (4,5-6 x 5-6,5 mm), am Rand gezähnt und trägt rosafarbene Schwielen; die Spitze ist zurückgeschlagen. Die Sepalen (12-15 x 6-8 mm) sind spitz eiförmig, innen grün, außen leicht violett überlaufen. Die Petalen (10-12 x 5,5-7 mm) sind innen grün bis weißlich-rosa, außen grün, violett überlaufen.
Die Klebdrüse ist wirksam. Die Bestäubung erfolgt durch Wespen und Schwebfliegen (Allogamie). Diese besuchen den Blütenstand von unten nach oben und führen somit teilweise zur Bestäubung der benachbarten Blüten (Geitogamie). Deswegen ist der Fruchtansatz hoch.
Die Fruchtknoten sind 12-15 mm lang, dunkel grün und behaart.
Vegetations- und Blühzeiten
Der Austrieb erfolgt Mitte bis Ende Juni und wird aufgrund der violettgrünen Grundfarbe auf dem Waldboden häufig nicht wahrgenommen. Die Blütezeit liegt zwischen Ende Juli und Mitte bis Ende August. Die Fruchtreife erfolgt Ende Oktober.
Variabilität
Bei Ausfall des Chlorophylls erscheinen Stängel und Blätter intensiv rosa, während die Blüten leicht rosa erscheinen. Diese Varietät wird lusus rosea genannt und tritt im ganzen Areal auf, aber selten. Noch seltener kommt es zum Ausfall des violetten Farbstoffes; die Pflanzen zeigen grüne Stängel und Blätter mit rein weißen Blüten (lusus chlorophylla). Im Übrigen variiert diese Art nur in geringem Umfang.
Hybriden
Hybriden werden wegen der späten Blütezeit dieser Art vor allem mit E. helleborine beobachtet; gegenüber E. purpurata zeigen sie größere Blätter, gegenüber E. helleborine sind die Blätter zuweilen wegen des violetten Farbstoffes etwas dunkler. Bekannt sind Hybriden auch mit E. leptochila.
Unterscheidung von ähnlichen Arten
Bei Vorhandensein des violetten Farbstoffes ist die Art unverwechselbar. E. helleborine unterscheidet sich vor allem durch größere Blätter.
Wuchsorte
Die Art besiedelt schattige, aber humusreiche Laub- und Nadelwälder mit wenig Unterwuchs. Hier bevorzugt sie sonnenwarme, nicht zu feuchte Standorte. Sie ist an neutrale bis basische Böden gebunden und kommt auf Lehmböden, Löß, Kalk und Mergel bis zu einer Höhe von 950 m vor.
Verbreitung
Die Art ist vor allem in Mitteleuropa verbreitet und besiedelt weite Bereiche Baden-Württembergs. Sie fehlt allerdings völlig im Odenwald, Schwarzwald und Oberrheingraben, soweit nicht Kalkschollen am Rand des Grabenbruches vorhanden sind. An Vorkommen im Kraichgau schließen sich Populationen in den Gäulandschaften und der Schwäbischen Alb an, wo sie teilweise selten bis verbreitet anzutreffen ist. Im Voralpenland tritt sie eher sporadisch auf.
Gefährdung
Als Waldart ist E. purpurata im Allgemeinen wenig gefährdet. Allerdings können durch Kahlschlag Populationen vernichtet werden, weil sie auf die Beschattung angewiesen sind. Auch schadet das Befahren mit schwerem Gerät den Rhizomen. In der Roten Liste für Baden-Württemberg ist diese Art als nicht gefährdet eingestuft.
Literaturhinweise
Der Text wurde überwiegend nach den folgenden Literaturangaben erstellt:
Baumann, H., Blatt, H. & H. Kretzschmar (2005): Epipactis viridiflora (Epipactis purpurata). - In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg): Die Orchideen Deutschlands: 424 – 430.- Uhlstädt-Kirchhasel.
Baumann, H., Künkele, S. & R. Lorenz (2006): Die Orchideen Europas mit angrenzenden Gebieten:- Stuttgart.
Text: Dietrich Bergfeld
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